Sabine Hartmann ist Präsidentin der Fedemac
13.07.2016 | Olaf Thiel

Sabine Hartmann über Frauen in der Logistik

Frauen in der Logistik – das ist noch immer nicht selbstverständlich. Sabine Hartmann ist eine sehr erfolgreiche Frau in der Logistik. Darüber und über ihre Position als Präsidentin des europäischen Dachverbandes der Möbelspediteure Fedemac spricht sie im Toll Collect-Blog.

Sabine Hartmann ist Geschäftsführerin der Spedition Hartmann International aus Paderborn. Dort verantwortet sie vor allem das Umzugsgeschäft. Sie ist Mitglied des Präsidiums des Bundesverbandes Möbelspedition und Logistik (AMÖ). Im September 2015 wurde sie zur Präsidentin des europäischen Spitzenverbandes der Möbelspediteure Fedemac gewählt. Sabine Hartmann ist die erste Frau, die diese Position inne hat. In der Fedemac, die im Jahr 1959 gegründet wurde, sind die nationalen Verbände der Möbelspediteure aus Europa organisiert. Der Dachverband vertritt die Interessen von rund 3.000 Umzugsunternehmen aus 26 Ländern auf europäischer Ebene.

Toll Collect: Eine Frau, die in der Chefetage eines Logistikunternehmens sitzt, wurde in einem Zeitungsinterview vor einiger Zeit als „bunter Vogel“ bezeichnet. Ist das einfach nur frech oder die Wahrheit?

Sabine Hartmann: Es ist ganz einfach so, dass es mehr Herren in der Chefetage gibt als Damen. Und graue Mäuse kommen bestimmt nicht weiter, auch wenn sie fachlich noch so hervorragend sein können. Die Frau in der Etage steht „ ihren Mann“, sonst geht sie unter. Unser Fedemac-Board setzt sich aus 7 europäischen Unternehmern zusammen, davon sind immerhin schon zwei Ladies an Bord. Unser Head of European Affairs, Gabriela Dimitrova, ist ebenfalls eine Frau in der Ebene des Managements.

Frauen erobern die Logistik – wenn sie wollen

Toll Collect: Frauen in der beziehungsweise in die Logistik ist ein großes Thema in den Medien. Liegt das ausschließlich am Fachkräftemangel oder gibt es einen echten Zeitenwandel? Wie schätzen Sie das ein?

Sabine Hartmann: Logistik ist in der Vergangenheit schon immer ein sehr männerlastiger Beruf  gewesen. Das mag auch am Thema selbst liegen und dass „Frau“ keine  genaue Vorstellung hat, wie interessant Logistik sein kann.  In Deutschland arbeiten in der Logistikbranche weniger als 40 Prozent Frauen.  In der Führungsebene sind es weniger als 10 Prozent. Aber ich denke nicht, dass es daran liegt, dass die Frauen geringere  Chancen haben. Wenn Frauen es wirklich wollen, sich interessieren, es sich zutrauen und die erforderlichen Qualifikationen mitbringen, kommen sie auch weiter. Das steht für mich außer Frage.

Grafik Vorteile Logistik für Frauen

Das macht die Logistik zu einem attraktiven Arbeitsfeld für Frauen. Quelle: Fokusgruppenbefragung zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Wirtschaftsbereich Logistik, http://www.bvl.de

„Leider haben Nicht-Logistiker oft ein reduziertes Verständnis von den Berufschancen der Branche und reduzieren diese auf LKW-Fahrer, Lagerist oder Speditionsleiter. Dieses in der Öffentlichkeit vorherrschende Verständnis einer vielleicht etwas rauen Branche schreckt Frauen vielleicht eher ab als Männer. Dies ist eventuell einer der Gründe, warum Frauen in der Logistik eindeutig unterrepräsentiert sind.“ Frauke Heistermann, Mitglied der Geschäftsführung der AXIT AG, Quelle: Fokusgruppenbefragung zur Gleichstellung von Frauen und Männern im Wirtschaftsbereich Logistik, http://www.bvl.de/thema/frauen-in-der-logistik

Toll Collect: Sie sind im vergangenen September zur Präsidentin der Fedemac, der europäischen Dachorganisation der Möbelspediteure, gewählt worden. Mit Ihnen bekleidet erstmals eine Frau diese hochrangige Position. Machen Sie etwas anders als Ihre männlichen Vorgänger? Wenn ja, was?

Sabine Hartmann: Sicherlich macht jeder etwas anders als sein Vorgänger,  jeder Präsident hat seine eigene Handschrift und Vorstellungen wie er die Organisation führen möchte. Die Frage ist, mache ich etwas anders, weil ich eine Frau bin? Das müssten meine männlichen Kollegen beantworten. Ich plane und strukturiere die Dinge gerne, habe einen eher pragmatischen Ansatz. Wir haben einen straffen Zeitplan.

Mir ist es wichtig, dass jeder mitarbeitet und seinen Beitrag leistet. Ist ein Thema besprochen und entschieden, möchte ich, dass es gleich umgesetzt wird und beim nächsten Meeting nur noch das Update erfolgt. Das ist bei verbandspolitischer Arbeit auf EU-Ebene aber etwas anders als im eigenen Unternehmen. Da ist mehr Geduld gefragt, da die Prozesse sich länger hinziehen.

Zweites weltweites Treffen der Fedemac

Toll Collect: Was haben Sie sich für Ihre Amtszeit vorgenommen? Konnten Sie einzelne Ziele bereits umsetzen?

Sabine Hartmann: Unsere Mitglieder, die nationalen Umzugsverbände, müssen von uns hervorragend informiert sein und aktiv mitarbeiten. Wir sind auf das Feedback aller angewiesen und können nur so gut sein, wie unsere Mitglieder. Wir schaffen einen Mehrwert und unterstützen  die Mitglieder in ihrer Arbeit.

Bereits unter meinem Vorgänger haben wir 2015 in Riga in Lettland unseren ersten „Worldwide Summit“ abgehalten. Dort haben sich Vertreter der Fedemac-Mitgliedsländer sowie Verbandsgeschäftsführer aus den USA und anderen Organisationen getroffen, um über die Herausforderungen unserer Umzugsbranche zu diskutieren. Diese Kommunikation ist wichtig, da beispielsweise die Gesetzgebung im Bereich Zoll und Datenschutz in den USA erhebliche Auswirkungen auf unsere tägliche Arbeit als Möbelspediteure hat. Das „Worldwide Summit“ setzen wir 2016 am 11. November in Luxemburg fort und erweitern den Kreis der Teilnehmer. Wir erwarten in diesem Jahr Vertreter aus Asien und Südamerika.

Logo Fedemac

Die Fedemac ist der europäische Dachverband der Möbelspediteure

Toll Collect: Welche aktuellen Herausforderungen gibt es in der Logistik und in der Branche der Möbelspediteure? Und wie reagiert die Fedemac darauf?

Sabine Hartmann: Die Fedemac vertritt die Interessen der Umzugsbranche im Europäischen Parlament. Ein großes Thema ist die Einführung von Übersiedlungsgut aus einem Drittland in die EU. In jedem Mitgliedsland werden vom lokalen Zoll andere Dokumente zur Abfertigung angefordert. Wir wünschen uns, dass es hier aus bürokratischer Sicht ein einfacheres, einheitliches und schnelleres Prozedere geben wird.

Wir kämpfen für die Anerkennung unseres Gewerbes und arbeiten gemeinsam mit den Teilnehmern des Summits an einem „code of conduct“ (Verhaltenskodex) sowie einem „code of ethics“ (Ethik-Kodex). Und wir wollen, dass diese Codes verabschiedet und auf EU-Ebene und später national umgesetzt werden. Ziel ist es, dass die Codes genau so zur Ausübung des Gewerkes gehören wie die Güterkraftverkehrsgenehmigung.

Neben  den Verordnungen über die verlängerte Wochenendruhezeit für Kraftfahrer in Frankreich (der Fahrer muss die Ruhezeit außerhalb seines LKW im Hotel verbringen) macht uns die neue französische Verordnung „Loi Macron“ zu schaffen. Die Vorschrift beinhaltet, dass das Unternehmen, wenn es in Frankreich Transporte ausführt, einen Repräsentanten in Frankreich haben muss. Die Liste ist endlos.

Viel Rückhalt durch Familie und Kollegen

Toll Collect: Sie bekleiden das Amt der Präsidentin der Fedemac, sind Mitglied des Präsidiums der AMÖ und gehören der Geschäftsführung Ihrer Spedition Hartmann International an. Wie schaffen Sie diese Dreifachbelastung?

Sabine Hartmann: Viel Kraft und Rückhalt bekomme ich zu Hause von meinem Mann, der mich unterstützt und es toleriert, dass ich viel unterwegs bin. Nicht jeder Mann kann mit der Situation umgehen.

Im eigenen Unternehmen kann ich mit Stolz sagen, dass ich mich ganz und gar auf mein Team verlassen kann. Mit unserer Hartmann-Exzellenz, einer gemeinsam entwickelten Wertewelt, üben wir eine aktive Kommunikation, haben ein zeitnahes Reporting und die digitale Welt öffnet uns viele Möglichkeiten informiert zu sein und schnell zu reagieren.

Aufgaben bei der AMÖ und der Fedemac sind eine Abwechslung und oft neue Themen für mich, die mich immer wieder fordern. Ich lerne dadurch dazu und wenn alles zusammen Spaß macht, dann schafft „Frau“ das auch. Aber sicherlich gibt es Grenzen und die Ehrenämter sind in meiner persönlichen Lebensarchitektur auf zeitliche Abschnitte begrenzt.

Sabine Hartmann, Blog

Sabine Hartmann freut sich auf mehr Frauen in der Logistik und hätte auch gerne wieder eine Berufskraftfahrerin in ihrem Team

Toll Collect: Beschäftigen Sie in Ihrer Spedition auch weibliche Berufskraftfahrer? Wenn ja, stellt Sie das als Arbeitgeber vor besondere Herausforderungen?

Sabine Hartmann: Wir haben leider keine weibliche Fahrerin beschäftigt, würden diese aber jederzeit auch gerne einstellen. Anfang der 90er Jahre hat eine Dame eine Ausbildung zur Berufskraftfahrerin gemacht und war noch einige Zeit im Unternehmen. Herausforderungen sehe ich hier keine. Getrennte Umkleiden, Duschen und Übernachtungsmöglichkeiten sind alles Kleinigkeiten, die entweder vorhanden sind oder kurzerhand umzusetzen sind. Gerade im Umzugsbereich kommt eine weibliche Fahrerin bestimmt gut an.

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