20.02.2018 | Olaf Thiel

Frachtkriminalität – Lkw-Ladungen im Fadenkreuz von Kriminellen

Frachtkriminalität auf deutschen Straßen ist ein tägliches Problem für die Polizei und die Transportbranche.

Nach Angaben des Bundesamtes für Güterverkehr (BAG) gab es in den vergangenen Jahren einen spürbaren Anstieg der Frachtkriminalität. Das BAG hat im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur die steigende Kriminalität im Straßenfernverkehr untersucht und 2017 einen Sonderbericht zu dem Thema veröffentlicht. Im Fokus von Kriminellen stehen vorrangig Computer, Baustoffe, Werkzeuge und Haushaltsgeräte sowie Möbel und Kleidung. Die Deutsche Verkehrszeitung hat ein Videoclip veröffentlicht, die die größten Fälle von Frachtkriminalität aus dem Jahr 2017 zusammenfasst.

Video der DVZ zur Frachtkriminalität. Quelle: Youtube

Doch nicht nur Ladungen, sondern selbst ganze Zugmaschinen samt Anhänger können plötzlich verschwinden. Auch Kraftstoffe entwenden Diebe immer häufiger aus den Tanks. Die Deliktzahl liegt deutschlandweit im hohen vierstelligen Bereich. Allerdings gehen die Behörden von einer großen Dunkelziffer aus, da Vorfälle häufig weder bei der Polizei angezeigt noch bei der Versicherung gemeldet werden. So wollen die Opfer steigende Kosten für die Police vermeiden und schon gar nicht als unsichere Spedition erscheinen.

Im Fokus der organisierten Kriminalität

Die Tätergruppen sind nach Angaben der Landeskriminalämter gut organisiert und operieren bundesweit. Sie stammen überdurchschnittlich oft aus osteuropäischen Ländern und ihr Vorgehen ähnelt sich im Grunde: Die Täter schleichen sich nachts auf unbewachten, schlecht beleuchteten Parkplätzen an den Lkw heran an und schlitzen die Plane auf. Das dauert nur wenige Sekunden. Werden gut absetzbare Güter entdeckt, wird die Beute einfach in einen bereitstehenden Transporter oder Lkw umgeladen, während der Lkw-Fahrer vorne schläft.

Häufig geben auch Informanten oder Hacker Details zu Ladungen an Täter weiter. Oder Informationen zur Frachtart und zu Zwischenstopps werden in Fahrerportalen oder sozialen Netzwerken im Internet mitgelesen. Die Banden schlagen dann meist in Grenzgebieten und Großstädten sowie in der Nähe von Umschlagplätzen wie Häfen und auf den großen Transit-Autobahnen zu. Vor allem die Grenzen von Sachsen und Brandenburg, das Ruhrgebiet sowie Berlin und Hamburg gelten als Brennpunkte. In den europäischen Nachbarländern sind Südfrankreich, Italien und einige osteuropäischen Nationen wie Polen für Diebstähle und Überfälle bekannt.

Meldesystem für Frachtkriminalität

Auch die Transported Asset Protection Association (Tapa), einer Vereinigung für internationale Transportsicherheit mit Sitz im US-Bundesstaat Florida, verzeichnet einen starken Anstieg von Frachtkriminalität in Europa. Im monatlich erscheinenden „Cargo Crime Monitor“ werden die von Tapa-Mitgliedsunternehmen gemeldeten Diebstähle und Überfälle in einer Infografik veröffentlicht. Die Angaben sammelt und wertet eine Datenbanksoftware aus. Jedes Mitglied kann hier Einträge vornehmen und Daten für seine Region abrufen.

Großbritannien und Deutschland sind mit Abstand am häufigsten von Frachtdiebstählen betroffen. Quelle und weitere Grafiken: https://tapa.memberclicks.net/assets/docs/newsletters/2017-Newsletters/TAPA%20Vigilant%20December%202017_DL.pdf

Im November 2017 wurden über 200 Vorfälle aus Europa gemeldet, 85 Prozent davon auf ungesicherten Parkplätzen. Am häufigsten waren Lkw-Ladungen in Deutschland und Großbritannien betroffen. In 178 Fällen wurden die Fracht oder Teile davon unbemerkt gestohlen. Zehnmal bedrohten die Täter Lkw-Fahrer oder setzten Waffen ein.  Der wirtschaftliche Schaden pro Fall lag bei durchschnittlich 33.297 Euro. Der größte Einzelschaden war ein Diebstahl von Kleidung und Turnschuhen im Großraum London. Marktwert der Beute: rund 337.000 Euro.

BAG fördert Nutzung von Sicherheitsparkplätzen

Um den Sicherheitsproblemen besser entgegen treten zu können und Strategien zur Abwehr von Frachtkriminalität auf politischer Ebene zu entwickeln, hat der Deutsche Speditions- und Logistikverband im Herbst 2017 die Kommission „Logistiksicherheit / Security“ ins Leben gerufen. Schwerpunkte sind unter anderem die Ursachenanalyse von Frachtkriminalität im Straßengüterverkehr und die verbesserte Zusammenarbeit mit den Strafverfolgungsbehörden. Doch um sich gegen die Kriminalität abzusichern, sind Lösungen für den Praxisalltag gefragt. Eine sind bewachte Parkplätze. Nach Angaben der Vereinigung Deutscher Autohöfe, gibt es bundesweit derzeit 22 Sicherheitsparkplätze entlang der Autobahnen, die über Ein- und Ausfahrtsschranken, Videoüberwachung und eine Beleuchtung verfügen. 2018 sollen weitere dazukommen. Das BAG fördert seit 2018 erstmals die kostenpflichtige Nutzung dieser zertifizierten Parkplätze im Rahmen des De-Minimis-Programmes mit bis zu 80 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben.

Technische Maßnahmen gegen Ladungsdiebstahl

Um Fahrer und Ladung noch besser zu schützen, sollten Spediteure auch technisch gegen Frachtkriminalität aufrüsten. Naheliegend sind Wegfahrsperren, abschließbare Kupplungssicherungen sowie zusätzliche mechanische Sperren für das Lenkrad oder die Kupplung. Spediteure verbauen ergänzend auch GPS-Systeme, die bei einer Fahrplanabweichung, einer außerplanmäßigen Öffnung des Laderaums oder der Abkopplung des Trailers in der Zentrale Alarm schlagen. Per Funk kann man bei Bedarf sogar die Kraftstoffzufuhr beeinflussen und den Lkw zum Stehen bringen. Empfohlen werden auch Kamerasysteme in der Fahrerkabine und im Frachtraum. Auf YouTube sind aufgrund der steigenden Anzahl von Kameras immer wieder spektakuläre Fälle wie das vom schwedischen Logistikunternehmen PostNord zu sehen. Zusätzlich lassen sich Paletten oder Behälter mit RFID-Transpondern ausstatten. Das Bundesamt für Güterverkehr fördert eine Vielzahl der genannten Maßnahmen.

Andreas Gießler, Student des Bachelorstudiengangs Transportwesen/Logistik an der Hochschule Bremerhaven, hat vor kurzem eine Alarmanlage für Lkw-Planen vorgestellt. Das System besteht aus demselben Material wie eine herkömmliche Plane, verstärkt jedoch mit Kevlarfasern, die die Schnittfestigkeit der Folie erhöhen. Diese wird wie eine zweite Haut von Innen an die bestehende Plane aufgeschweißt. Sie ist zudem mit einem Drahtgewebe durchsetzt, das mit einer akkubetriebenen Steuerbox verbunden ist. Wird die Plane aufgeschlitzt, ertönt ein 110 Dezibel lautes Alarmsignal. Die Nachfrage ist groß. Gießler hat inzwischen seine eigene Firma mit Alarmplane.de gegründet.

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