03.05.2016 | Olaf Thiel

Christian Labrot erklärt seine Ziele als Präsident des Weltverbandes IRU

Der Präsident der International Road Transport Union (IRU), des Weltverbandes für Straßenverkehr, spricht über Lkw-Maut in Europa, das Image von Berufskraftfahrern und seine Ziele. Christian Labrot ist seit Januar 2016 im Amt.

Die International Road Transport Union (IRU) hat ihren Sitz in Genf. Der Weltverband für Straßenverkehr wurde am 23. März 1948 gegründet. Die IRU ist auf allen fünf Kontinenten vertreten und vereint über 140 Mitgliedsverbände in 76 Ländern. Christian Labrot ist seit 1. Januar 2016 für zwei Jahre Präsident der IRU.

Warum gibt es einen Weltverband für Transportunternehmer?

Logistik, Transport, Handel, Reisen – all das findet heutzutage weltweit statt. Insofern braucht man eine Organisation, die das Ganze weltweit vertritt. Dafür ist es aber auch wichtig, als Weltverband gleichzeitig regional vertreten zu sein. Die IRU hat neben dem Hauptsitz in Genf unter anderem Büros in Brüssel, als größte Außenstelle für den EU-Bereich, in Moskau, in Istanbul und in New York bei den Vereinten Nationen. Wir haben Repräsentanten in Afrika und im Mittleren Osten, seit kurzem einen festen Repräsentanten in Washington und in Peking.

Die Länder und Kontinente haben ihre Spezialitäten im Güter- und Personentransport, es gibt unterschiedliche Standards und Normen. Die IRU kann viel dazu beitragen, das anzugleichen, zum Beispiel auf dem Ausbildungssektor. In Jordanien hat die IRU-Akademie von der Regierung den Auftrag, die gesamte verpflichtende Ausbildung für die Unternehmen und Fahrer zu organisieren. In Deutschland gibt es dafür beispielsweise die SVG, die Straßenverkehrsgenossenschaften, die sich um Ausbildung oder Fahrertraining kümmern. Hier braucht man die IRU-Akademie nicht zwingend.

Trotzdem haben beispielsweise Mitgliedsverbände in Mexiko, Kanada und USA ähnliche Probleme wie wir hier in Europa. Da kann man weltweit Erfahrungen austauschen und voneinander lernen. Das ist auch Sinn einer solchen Organisation.

Christian Labrot im Interview

Christian Labrot spricht über seine Ziele, Lkw-Maut in Europa und das Image des Berufskraftfahrers

Herr Labrot, Sie sind seit 100 Tagen in Ihrem neuen Amt als IRU-Präsident tätig. Was haben Sie sich persönlich für Ihre Amtszeit vorgenommen? Welche Ziele verfolgen Sie?

Drei Punkte sind mir besonders wichtig.

Zum einen will ich mich dafür einsetzen, dass die IRU noch transparenter wird. Vor allem für ihre Mitglieder. Dabei geht es sowohl um das Offenlegen von Entscheidungsprozessen als auch um die verbandsinterne Finanzierung. Das neue Management beschreitet den Weg der Transparenz schon seit über zwei Jahren und den will ich weiter vorantreiben.

Der zweite Punkt ist, die IRU wirklich zu einer globalen Mobilitäts-Organisation zu machen. Der Verband war lange Zeit sehr eurozentrisch orientiert. Das hat sich in den letzten Jahren schon geändert und wird unter meiner Präsidentschaft weiter forciert. Denn ich muss dafür sorgen, dass die IRU als Organisation im Personen- wie im Güterverkehr zukunftsorientiert aufgestellt ist.

Zukunftsorientiert aufgestellt auch in finanzieller Hinsicht?

Genau, wir müssen eine nachhaltige Finanzierung sichern. Die stützt sich vorrangig nicht auf Mitgliedsbeiträge, sondern auf die Einnahmen aus dem Zollgarantieverfahren Carnet-TIR. Hier haben wir durch die EU-Osterweiterung, aber auch durch das Russland-Embargo und die Ukrainekrise erhebliche Rückgänge an Nutzern zu verzeichnen und darunter leiden viele Mitgliedsverbände im Osten. Ihnen gehen Einnahmen verloren. Denen hilft die IRU, neue Märkte zu finden. Und das meine ich auch mit Globalisierung. Derzeit sind wir da auf einem sehr guten Weg. Im letzten Jahr hat Pakistan die TIR-Konvention ratifiziert, China steht unmittelbar vor dem Beitritt. In den Vereinigten Arabischen Emiraten sind wir kurz vor dem Abschluss. Diese neuen Märkte erschlossen zu haben, wird in den nächsten ein, zwei Jahren für die IRU von großer Bedeutung sein. Das ist nur ein Beispiel dafür, wo die IRU ihr Tätigkeitsfeld erweitert.

Und was ist der dritte Punkt?

Der resultiert aus dem zweiten: Ich will die Services der IRU für die Verbände und deren Mitgliedsunternehmen ausbauen und somit die Basis sowohl der IRU als auch der nationalen Organisationen erweitern. Nicht nur die IRU braucht weitere Standbeine neben dem Carnet-Verfahren. Es ist mir wichtig, die kommerziellen Aktivitäten der IRU zu verstärken und serviceorientierter aufzustellen. Neben der  IRU-Akademie spreche ich über ganz konkrete Dienstleistungen wie zum Beispiel den elektronischen CMR-Frachtbrief. In dem Fall sind wir beispielsweise gerade kurz vor dem Abschluss der Vorbereitungen.

Herr Labrot, Sie sind ja nicht nur der Präsident der IRU, sondern auch Hauptgeschäftsführer des BWVL. Wie verliefen die ersten 100 Tage in dieser Doppelfunktion?

Sehr viel intensiver, als ich es mir vorgestellt habe, aber da ich vorher schon Mitglied im Präsidium war, wusste ich, worauf ich mich einlasse. Man muss einfach sehen: Ich bin als IRU-Präsident ehrenamtlich tätig und  kann vieles delegieren. Dafür habe ich mit dem Generalsekretariat ein gutes Team in Genf, das mich tatkräftig unterstützt. Insgesamt sind wir mit den Zielen, die ich ansprach, auf einem sehr guten Weg. Bezüglich der Doppelfunktion möchte ich hinzufügen, dass die Themen, die auf internationalem Parkett behandelt werden, oft ein Spiegelbild unserer nationalen Probleme sind. Daher gibt es auch viele Synergien in der Arbeit der IRU und des BWVL.

Nächste Woche: Christian Labrot zu Lkw-Maut und Image des Gewerbes

Was sagt der IRU-Präsident zur Lkw-Maut und wie kann die IRU zum besseren Image des Berufskraftfahrers beitragen? Diese Fragen beantwortet Christian Labrot im zweiten Teil des Interviews – zu lesen in der kommenden Woche im Toll Collect-Blog.

Hintergrund:

Vita

Christian Labrot studierte Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Verkehrswirtschaft an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn. Direkt nach seinem Studienabschluss 1979 trat er als Referent in den Bundesverband Wirtschaft, Verkehr und Logistik (BWVL) ein, der damals noch Bundesverband Werkverkehr und Verlader (BWV) hieß. 1990 wurde er Geschäftsführer, fünf Jahre später Hauptgeschäftsführer. Bei der IRU ist der 63-Jährige seit 1980 als Vertreter des BWVL tätig. 1997 wurde er in die Finanzkommission der IRU gewählt – ein wichtiges Gremium, da die IRU mit der Abwicklung des TIR-Verfahrens auch eine große finanzielle Verantwortung trägt. Seit 2012 war er der Präsident der Finanzkommission und auch Mitglied des IRU-Präsidiums. Am 6. November wurde Christian Labrot für zwei Jahre zum Präsidenten der IRU gewählt. Er trat das Amt zum 1. Januar 2016 an. Labrot vertritt die Interessen der Verkehrswirtschaft außerdem noch in verschiedenen Fachbeiräten und als gesuchter Gesprächspartner in Politik und Wirtschaft.

IRU

Die International Road Transport Union (IRU) hat ihren Sitz in Genf. Der Weltverband für Straßenverkehr wurde am 23. März 1948 gegründet. Die Initiatoren waren Verbände aus acht Ländern: Belgien, Dänemark, Frankreich, Niederlande, Norwegen, Schweden, Schweiz und Großbritannien. Heute ist die IRU auf allen fünf Kontinenten vertreten und repräsentiert über 140 Mitgliedsverbände in 76 Ländern und ist in über 100 Ländern präsent. 2013 eröffnete die IRU ein eigenes Büro in New York. Christian Labrot ist seit 1. Januar 2016 für zwei Jahre Präsident der IRU. Seine Stellvertreter wurden ebenfalls Anfang des Jahres gewählt: Yves Mannaerts aus Belgien und Radu Dinescu aus Rumänien.

Eine der Hauptaufgaben der IRU ist das Betreiben des Carnet-TIR-Verfahrens. Dabei handelt es sich um ein Zollverfahren, das im Straßenverkehr den Warentransit durch Länder erleichtert. Beim Versand mit Carnet-TIR wird nicht an jeder Grenzdurchgangsstelle ein Zollverfahren durchgeführt, sondern nur an der ausgehenden Zollstelle und beim Zoll des Bestimmungsortes. Voraussetzung für den Versand mit Carnet-TIR ist der Transport in einem Fahrzeug oder Behälter, der sich nach den Bestimmungen des TIR-Abkommens verplomben lässt. Außerdem kümmert sich der Weltverband mit seiner eigenen Akademie intensiv um die Weiterbildungen von Transportunternehmer und Berufskraftfahrer. Die Angebote der Akademie zielen darauf ab, die Fachkompetenz in der Branche zu fördern und somit letztlich die Straßen sicherer zu machen.

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